Dank vieler florierender Unternehmen ist der Begriff Vibrationstraining
kein Fremdwort in der Fitnesswelt. Die Versprechungen der Firmen reichen von Muskelentspannung
über verbesserte Beweglichkeit bis hin zu anstrengungsfreiem
Muskelaufbau. In manchen Studien ist auch von einem Wachstumshormonanstieg die
Rede. Tatsächlich wurde nach einem Vibrationstraining in manchen Muskeln ein
Wachstumshormonanstieg festgestellt. Allerdings wurde in anderen Muskeln ein
Defizit wahrgenommen. Allgemein sind die Ergebnisse eines Vibrationstrainings
nicht eindeutig und linear. Das liegt daran, dass unser Körper – mechanisch
gesehen – ein „gekoppeltes Feder-Massen-System“ ist. Anders gesagt: Ein
Vibrationsreiz, der von den Füßen aufgenommen wird, kommt nicht in der gewünschten
Frequenz an der Zielmuskulatur an. Die physiologischen Folgen eines
Vibrationstrainings sind daher sehr zahlreich und können stark zwischen
positiven und negativen Effekten variieren.
Aber zunächst möchte ich den Begriff Vibration etwas genauer eingrenzen. Es
gibt grundsätzlich drei unterschiedliche Vibrationsarten:
1.
Gleichförmige
Vibrationen (meist sinusförmig) – entstehen nur unter unnatürlichen Bedingungen
2.
Ungleichförmige
Vibrationen – ständig wechselnde Frequenzen (Chaos)
3.
Leicht
wechselnde Vibration (stochastische Resonanz)
Welche Vibrationsart eignet sich für ein Training?
Zu 1.
Gleichförmige Vibrationen, erzeugt von Maschinen, wie Waschmaschinen oder
LKW-Motoren, haben rein trainingstechnisch wenig positive Effekte auf den
Kraftanstieg oder auf die Koordinationssysteme des Menschen. Es wurden nur marginale
Leistungszuwächse festgestellt. Viel interessanter jedoch sind die Effekte der
gleichförmigen Vibration auf die Dehnbarkeit des aktiven Bewegungsapparats. Man
stellte fest, dass sich die Muskulatur nach Einfluss von gleichförmigen
Vibrationen sehr leicht dehnen lässt. Das liegt daran, dass sich die Rezeptoren,
die die Krafteinwirkung auf den Muskel messen und den Muskel vor Überdehnung
schützen, nach 4000 gleichförmigen Reizen abschalten. Zudem können sich
gleichförmige Vibrationen leicht überlagern und unter ungünstigen Umständen zu Resonanzkatastrophen führen, die zum Beispiel
zu schädlichen Schwingungen der Innenorgane führen können und ggf. auch das Sehvermögen kurzerhand lahmlegen können.
Deshalb besitzen LKW-Sitze oder Mountainbikes Federungssysteme, die diese Überlagerungen
verhindern.
Zu 2.
Ungleichförmige Vibrationen weisen
ständig wechselnde Frequenzen auf. Sie können als Frequenzchaos bezeichnet
werden und haben trainingstechnisch absolut keine Auswirkung auf den Menschen.
Zu 3.
Die leicht wechselnden Vibrationsmuster der stochastischen Resonanz (3)
hingegen, eignen sich für den Kraft- und Koordinationsaufbau des menschlichen
Apparats hervorragend.
Der richtige Frequenzbereich
Es gibt nur bestimmte Frequenzbereiche, in die der Menschen aktiv
eingreifen kann. Frequenzen oberhalb 45
Hz, die zum Beispiel beim Skifahren auftreten, kann der Mensch nicht
kompensieren. Diese Frequenzen müssen und werden vom Material des Skis
geschluckt. Die Wahl eines richtigen
Skis bei bestimmten Schneeverhältnissen, ist daher wettkampfentscheidend. Ein
Rezeptor im Muskel reagiert unter natürlichen Bedingungen folgendermaßen: Er
schaltet sich ein, misst und wird refraktär (entspannt) und stellt sich
anschließend neu ein. Frequenzen zwischen 50-60 Hz, mit denen die meisten Vibrationsplatten
auf dem Markt arbeiten, führen dazu, dass der Rezeptor sich gar nicht erst
ausschaltet. Das heißt, dass er dauernd feuert, was schließlich zu dem Eindruck
führt, dass man sich erschöpft fühlt und das Gefühl hat, viel geleistet zu
haben. Der Hersteller wirbt also damit, dass ein Training auf seiner
Vibrationsplatte so ist, wie eineinhalb Stunden Krafttraining. Er unterschlägt
allerdings, dass es sich nur so anfühlt. Die Trainingsreize bleiben bei diesen
Frequenzen in Wahrheit nämlich aus.
Auf Frequenzen im Bereich von 5-15 Hz kann der Mensch aktiv eingreifen. Je
nach Sportart, können die Trainingsfrequenzen variieren. Die besten Leistungszuwachse
wurden allerdings bei Frequenzen von 10-14 Hz ermittelt.
Worauf beruht der Leistungsanstieg bei einem Vibrationstraining im
richtigen Frequenzbereich?
Am Anfang eines richtigen Vibrationstrainings stellt man fest, dass alle
Muskeln des Probanden maximal angespannt und alle gleich aktiviert sind. Aber
nach ein paar Wochen Training erkennt man, das sich die Muskeln innerhalb einer
Sekunde 20 mal ein und ausschalten. So schnell kann das der Mensch gar
nicht bewusst wahrnehmen und steuern.
Das heißt, dass ein Koordinationsmuster
entsteht, das unwillkürlich zustande kommt. Normalerweise werden die Muskeln
nämlich vom Gehirn koordiniert. In diesem Fall ist es genau anders rum. Hier
geht der Informationsfluss von der Peripherie zum Gehirn. Also lernt das periphere
Nervensystem von allein. Leistungssportler zeigen Gleichgewichtsverbesserungen
von 2,5%. Geh- und Gleichgewichtsbehinderte Patienten zeigen allerdings Verbesserungen von 30-40%. Genau hier liegt
der große Vorteil des Vibrationstrainings: Menschen, die eine Störung des Nervensystem von zentral nach peripher (vom Kopf zu Muskulatur) aufweisen, können durch das Vibrationstraining große
Erfolge erzielen, da das Lernsystem einfach umgedreht wird.
Warum erfahren
Leistungssportler (z.B. Langläufer) durch diese Art von Training wichtige
Leistungsverbesserungen?
Das liegt daran, dass sich das Gleichgewichtssystem, wie oben erwähnt, verbessert
und somit weniger Kraft dafür eingesetzt werden muss. Die eingesparte Kraft
kann anschließend zum Vorankommen einsetzen werden.
Referenzen:
Dieser Text ist eine selektive Zusammensetzung von Informationen aus dem
Vortrag von Herrn Prof. Dr. Dietmar
Schmidtbleicher, Lehrstuhlinhaber für Bewegungs- und Trainingswissenschaften
am Institut für Sportwissenschaften der Universität Frankfurt und Leiter des
Arbeitsbereichs Sport und Bewegung. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung
für Sportwissenschaft, Vorsitzender des Direktoriums des Bundesinstituts für
Sportwissenschaft und Sondergutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
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