Samstag, 2. März 2013

Ist Vibrationstraining sinnvoll?


Dank vieler florierender Unternehmen ist der Begriff Vibrationstraining kein Fremdwort in der Fitnesswelt. Die Versprechungen der Firmen reichen von Muskelentspannung über verbesserte Beweglichkeit bis hin zu anstrengungsfreiem Muskelaufbau. In manchen Studien ist auch von einem Wachstumshormonanstieg die Rede. Tatsächlich wurde nach einem Vibrationstraining in manchen Muskeln ein Wachstumshormonanstieg festgestellt. Allerdings wurde in anderen Muskeln ein Defizit wahrgenommen. Allgemein sind die Ergebnisse eines Vibrationstrainings nicht eindeutig und linear. Das liegt daran, dass unser Körper – mechanisch gesehen – ein „gekoppeltes Feder-Massen-System“ ist. Anders gesagt: Ein Vibrationsreiz, der von den Füßen aufgenommen wird, kommt nicht in der gewünschten Frequenz an der Zielmuskulatur an. Die physiologischen Folgen eines Vibrationstrainings sind  daher  sehr zahlreich und können stark zwischen positiven und negativen Effekten variieren.
Aber zunächst möchte ich den Begriff Vibration etwas genauer eingrenzen. Es gibt grundsätzlich drei unterschiedliche Vibrationsarten:
   1.       Gleichförmige Vibrationen (meist sinusförmig) – entstehen nur unter unnatürlichen Bedingungen
   2.       Ungleichförmige Vibrationen – ständig wechselnde Frequenzen (Chaos)
   3.       Leicht wechselnde Vibration (stochastische Resonanz)

Welche Vibrationsart eignet sich für ein Training?
 Zu 1.
Gleichförmige Vibrationen, erzeugt von Maschinen, wie Waschmaschinen oder LKW-Motoren, haben rein trainingstechnisch wenig positive Effekte auf den Kraftanstieg oder auf die Koordinationssysteme des Menschen. Es wurden nur marginale Leistungszuwächse festgestellt. Viel interessanter jedoch sind die Effekte der gleichförmigen Vibration auf die Dehnbarkeit des aktiven Bewegungsapparats. Man stellte fest, dass sich die Muskulatur nach Einfluss von gleichförmigen Vibrationen sehr leicht dehnen lässt. Das liegt daran, dass sich die Rezeptoren, die die Krafteinwirkung auf den Muskel messen und den Muskel vor Überdehnung schützen, nach 4000 gleichförmigen Reizen abschalten. Zudem können sich gleichförmige Vibrationen leicht überlagern und  unter ungünstigen Umständen zu  Resonanzkatastrophen führen, die zum Beispiel zu schädlichen Schwingungen der Innenorgane führen können und ggf.  auch das Sehvermögen kurzerhand lahmlegen können. Deshalb besitzen LKW-Sitze oder Mountainbikes Federungssysteme, die diese Überlagerungen verhindern. 

Zu 2.
Ungleichförmige Vibrationen  weisen ständig wechselnde Frequenzen auf. Sie können als Frequenzchaos bezeichnet werden und haben trainingstechnisch absolut keine Auswirkung auf den Menschen.

Zu 3.
Die leicht wechselnden Vibrationsmuster der stochastischen Resonanz (3) hingegen, eignen sich für den Kraft- und Koordinationsaufbau des menschlichen Apparats hervorragend. 

Der richtige Frequenzbereich
Es gibt nur bestimmte Frequenzbereiche, in die der Menschen aktiv eingreifen kann.  Frequenzen oberhalb 45 Hz, die zum Beispiel beim Skifahren auftreten, kann der Mensch nicht kompensieren. Diese Frequenzen müssen und werden vom Material des Skis geschluckt.  Die Wahl eines richtigen Skis bei bestimmten Schneeverhältnissen, ist daher wettkampfentscheidend. Ein Rezeptor im Muskel reagiert unter natürlichen Bedingungen folgendermaßen: Er schaltet sich ein, misst und wird refraktär (entspannt) und stellt sich anschließend neu ein. Frequenzen zwischen 50-60 Hz, mit denen die meisten Vibrationsplatten auf dem Markt arbeiten, führen dazu, dass der Rezeptor sich gar nicht erst ausschaltet. Das heißt, dass er dauernd feuert, was schließlich zu dem Eindruck führt, dass man sich erschöpft fühlt und das Gefühl hat, viel geleistet zu haben. Der Hersteller wirbt also damit, dass ein Training auf seiner Vibrationsplatte so ist, wie eineinhalb Stunden Krafttraining. Er unterschlägt allerdings, dass es sich nur so anfühlt. Die Trainingsreize bleiben bei diesen Frequenzen in Wahrheit nämlich aus.
Auf Frequenzen im Bereich von 5-15 Hz kann der Mensch aktiv eingreifen. Je nach Sportart, können die Trainingsfrequenzen variieren. Die besten Leistungszuwachse wurden allerdings bei Frequenzen von 10-14 Hz ermittelt. 

Worauf beruht der Leistungsanstieg bei einem Vibrationstraining im richtigen Frequenzbereich?
Am Anfang eines richtigen Vibrationstrainings stellt man fest, dass alle Muskeln des Probanden maximal angespannt und alle gleich aktiviert sind. Aber nach ein paar Wochen Training erkennt man, das sich die Muskeln innerhalb einer Sekunde 20 mal ein und ausschalten. So schnell kann das der Mensch gar nicht  bewusst wahrnehmen und steuern. Das heißt,  dass ein Koordinationsmuster entsteht, das unwillkürlich zustande kommt. Normalerweise werden die Muskeln nämlich vom Gehirn koordiniert. In diesem Fall ist es genau anders rum. Hier geht der Informationsfluss von der Peripherie zum Gehirn. Also lernt das periphere Nervensystem von allein. Leistungssportler zeigen Gleichgewichtsverbesserungen von 2,5%. Geh- und Gleichgewichtsbehinderte Patienten zeigen allerdings  Verbesserungen von 30-40%. Genau hier liegt der große Vorteil des Vibrationstrainings: Menschen, die eine Störung des Nervensystem von zentral nach peripher (vom Kopf zu Muskulatur) aufweisen, können durch das Vibrationstraining große Erfolge erzielen, da das Lernsystem einfach umgedreht wird. 

Warum erfahren Leistungssportler (z.B. Langläufer) durch diese Art von Training wichtige Leistungsverbesserungen?
Das liegt daran, dass sich das Gleichgewichtssystem, wie oben erwähnt, verbessert und somit weniger Kraft dafür eingesetzt werden muss. Die eingesparte Kraft kann anschließend zum Vorankommen einsetzen werden.

Referenzen:
Dieser Text ist eine selektive Zusammensetzung von Informationen aus dem Vortrag von Herrn Prof. Dr.  Dietmar Schmidtbleicher, Lehr­stuhlinhaber für Bewegungs- und ­Trainingswissenschaften am Institut für Sportwissenschaften der Universität Frankfurt und Leiter des Arbeits­bereichs Sport und Bewegung. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen ­Vereinigung für Sportwissenschaft, ­Vorsitzender des Direktoriums des Bundesinstituts für Sportwissenschaft und Sondergutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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